Meditieren Sie oder machen Sie Atemübungen? Achten Sie auf Ihre Bedürfnisse? Oder anders gefragt: Sind Sie achtsam?
Wenn Sie jetzt „Ja“ sagen, wunderbar! Damit haben Sie eine gute Basis für Ihre Resilienz geschaffen! Sie fragen sich nun vielleicht, wo denn der Unterschied zwischen Achtsamkeit und Resilienz ist?
Achtsamkeit bedeutet, im gegenwärtigen Moment aufmerksam zu sein und nicht zu urteilen. Es geht zunächst darum, sich darüber bewusst zu werden, wie sich dieser Augenblick anfühlt. Was auch immer Sie tun – Sie können alles achtsam tun. Auch und gerade die alltäglichen Dinge wie duschen, essen, trinken, Zähne putzen oder Autofahren.
Mit Achtsamkeitsübungen können Sie Ihr Bewusstsein schulen & werden sich vermutlich entspannter, fokussierter und gelassener fühlen.
Resilienz geht noch viel weiter
Achtsamkeit ist somit ein wichtiger Aspekt der Resilienz. Aber nicht der einzige. Resilienz kann mit mentaler Widerstandsfähigkeit übersetzt werden. Jemand, der resilient ist, geht aus Stresssituationen, Herausforderungen und belastenden Lebensumständen gestärkt hervor. Wie ein Bambus, der sich im Sturm biegt, aber nicht bricht. Er ist tief verwurzelt und dennoch beweglich und flexibel.
Für die Resilienz braucht es zusätzlich zur Achtsamkeit noch weitere Faktoren. Ich möchte Ihnen diese anhand eines Beispiels erklären. Auch da spielt die Achtsamkeit eine Rolle – bei der Unterbrechung des Reiz-Reaktionssystems. Und dann heißt es „Bühne frei“ für die acht Resilienzfaktoren nach Ella Amann.
Nehmen wir an, Sie fahren mit Ihrem Partner auf Urlaub. Alles ist gut geplant, die Koffer sind gepackt, die Flugtickets liegen vor Ihnen. Die Vorfreude ist groß, immerhin war die letzte Zeit recht stressig und Sie können es gar nicht erwarten, auf einer Liege in der Sonne am italienischen Meer zu entspannen. Ihr Flug geht in drei Stunden, Sie sind also gerade dabei, das Haus zu verlassen, schließlich wollen Sie rechtzeitig am Flughafen sein. Dann passiert es: Ihr Partner kommt kreidebleich ins Zimmer und verkündet, dass er seinen Reisepass nicht finden kann. Er habe schon überall gesucht, aber der Pass ist nirgendwo. Panik bricht aus. Unorganisiert suchen Sie alles ab, doch der Reisepass lässt sich nicht finden. Sogar die Koffer werden noch einmal ausgepackt. Aber auch da ist er nicht.
Szenario 1 – Nerven weg, der Flieger auch
Sie schmeißen die Nerven und beginnen, Ihrem Partner Vorwürfe zu machen. Immerhin haben Sie sich so sehr auf diesen Urlaub gefreut, außerdem brauchen Sie ihn ganz dringend. Ihr Partner reagiert auf Ihre Vorwürfe genervt, schließlich hat er seinen Pass nicht absichtlich verloren oder verlegt. Gestern war er ja noch da. Wie auch immer – Sie streiten mit Ihrem Partner so lange, dass der Flug längst weg ist, als Sie sich schlussendlich doch wieder versöhnt in den Armen liegen.
Szenario 2 – Wie Resilienz Ihren Urlaub retten kann
Sie stellen nach längerer, vergeblicher Suche fest, dass nicht mehr viel Zeit bleibt, um rechtzeitig am Flughafen zu sein. Für einen kurzen Augenblick sind Sie versucht, Ihren Partner mit Vorwürfen zu überschütten – immerhin haben Sie sich so sehr auf diesen Urlaub gefreut. Doch Sie besinnen sich, atmen einige Male tief durch und sagen zu sich selbst, dass er das nicht mit Absicht gemacht hat. So etwas kann passieren. Sie akzeptieren die Situation so, wie sie nun mal ist, denn dass der Pass nicht zu finden ist, können Sie nicht ändern (Resilienzfaktor Nr. 1: Akzeptanz und Realitätsbezug).
Was Sie jedoch können ist, selbst zu entscheiden, wie Sie mit der Situation umgehen – beispielsweise indem Sie die Sache in die Hand nehmen (Resilienzfaktor Nr. 2: Selbstverantwortung und Selbstwirksamkeit). In Ihrem Kopf entstehen Ideen zu Alternativlösungen (Resilienzfaktor Nr. 3: Lösungsbereitschaft und Kreativität). Eine Möglichkeit ist es, einen Notpass zu beantragen. Da dies am Flughafen grundsätzlich möglich ist, schnappen Sie sich Partner und Koffer und fahren los. Am Flughafen angekommen, wird schnell klar, dass die Zeit für einen Notpass nicht reicht. Es bleiben nur noch zwei Möglichkeiten: Die Reise abzusagen und wieder nach Hause zu fahren – das wäre aber kontraproduktiv für ihr Bedürfnis nach Erholung (Resilienzfaktor Nr. 4: Selbstregulation und Selbstfürsorge). Oder den Versuch zu wagen, ohne Reisepass ins Flugzeug zu kommen. Dass dies gelingt, ist nicht völlig auszuschließen, immerhin reisen Sie innerhalb der EU. Einen Versuch ist es wert, denken Sie optimistisch wie Sie nun mal sind (Resilienzfaktor Nr. 5: Optimismus und Selbsteinschätzung).
Manchmal muss man eben improvisieren (Resilienzfaktor Nr. 6: Improvisation und Lernbereitschaft). Weil Sie an die Kraft der Gedanken glauben, lassen Sie vor Ihrem inneren Auge die Vision entstehen, wie Sie völlig entspannt im Flugzeug nach Italien sitzen (Resilienzfaktor Nr. 7: Zukunftsgestaltung und Visionsentwicklung). Mit Ihrem Partner, der manchmal ein wenig schusselig und chaotisch ist, aber auch das Beste, was Ihnen hätte passieren können (Resilienzfaktor Nr. 8: Beziehungen und Netzwerke).
Genauso hat es sich übrigens wirklich zugetragen. Möchten Sie wissen, wie es weitergeht? Wir wurden tatsächlich nicht kontrolliert und sind reibungslos in Italien angekommen. Dort haben wir eine Verlustanzeige für den Reisepass aufgegeben und wurden mit einem Notpass für den Rückflug ausgestattet. Auf dem Rückweg wurden wir übrigens kontrolliert, mehrmals.
Die gute Nachricht
Resilienz kann nicht nur Ihren Urlaub retten, sondern Sie in allen herausfordernden Situationen unterstützen. Noch besser: So wie Achtsamkeit kann auch Resilienz entwickelt, verstärkt und trainiert werden. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen wunderbaren Urlaub und eine entspannte An- sowie Heimreise!